Bauordnung & Nachbarschutz

Beim Bauen sind Bauordnung und Nachbarschutz immer zu beachten.

Wird bauordnungswidrig gebaut oder umgebaut, kann die Behörde eingreifen.

Das Baugenehmigungsverfahren ist das tägliche Brot von Architekten und von Bauingenieuren. Da sitzt die fachliche Kompetenz, um Bauanträge zu erarbeiten und zu stellen. Schwierig wird es in zwei Fällen: Die beantragte Baugenehmigung wird nicht erteilt, oder dem Nachbarn wird leider eine nicht erwünschte Baugenehmigung erteilt.

In diesen beiden Fällen hilft i.d.R. der Architekt oder Bauingenieur allein nicht mehr weiter. Nur der baurechtlich spezialisierte Rechtsanwalt kann in diesen Fällen noch die Kohlen aus dem Feuer holen.

Die Genehmigungspflicht trifft grundsätzlich alle Bauvorhaben.

Nicht nur, wer bauen will, muss sich einer behördlichen Prüfung seines Vorhabens unterziehen: Das gilt vielmehr für jede Errichtung, für eine bauliche Änderung und für eine bloße Nutzungsänderung.

Die meisten Landesbauordnungen haben ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren für bestimmte Bauvorhaben zur Verfügung gestellt.

Außerdem gibt es auch genehmigungsfreie Vorhaben. Bei diesen müssen nur die inhaltlichen Anforderungen zulässigen Bauens erfüllt sein.

Der Regelfall ist aber das Baugenehmigungsverfahren. Dabei bedarf es zunächst eines ordnungsgemäßes Bauantrages. Beteiligt am Verfahren sind außer dem Antragsteller die Bauaufsichtsbehörde, die Gemeinde und vielleicht eine höhere Verwaltungsbehörde sowie Fachbehörden bei bestimmten Vorhaben. Außerdem ist eine Beteiligung der Nachbarn vorgeschrieben.

Der bekannteste kleine Bruder der Baugenehmigung ist der Bauvorbescheid auf eine Bauvoranfrage, um schon vor der Einreichung eines Bauantrages zu klären, ob ein bestimmtes Vorhaben sich mit den Belangen der Bauordnung verträgt.

Ein weiterer kleiner Bruder der vollen Baugenehmigung ist die Teilbaugenehmigung. Der Beginn der Bauarbeiten kann für einzelne Bauteile oder Bauabschnitte schon genehmigt werden, wenn sich vor Erteilung der vollen Genehmigung ein positives Gesamturteil abzeichnet. Für Bauträger, die ins Risiko gehen wollen und Fristen einzuhalten haben, kommt hier eine rechtsanwaltliche Begleitung bei geschicktem Taktieren in Betracht.

Ist eine Baugenehmigung jemanden ein Dorn im Auge, so kommt eine Rücknahme in Betracht, wenn sie rechtswidrig ist, und ein Widerruf in bestimmten Fällen selbst dann, wenn sie rechtmäßig ist.

Bei einer Ablehnung des Bauantrages kommt eine Verpflichtungsklage auf Erteilung der Baugenehmigung in Betracht. Bei der Erteilung der Baugenehmigung für ein ärgerliches Vorhaben eines Nachbarn kann eine Anfechtungsklage gegen die Erteilung der Baugenehmigung geführt werden, gestützt auf Nachbarschutz.

Wird ohne erforderliche Baugenehmigung errichtet oder geändert oder die Nutzung geändert, oder werden andere bauliche Vorschriften nicht beachtet (oder wird dies befürchtet), so hält das Gesetz ein reichhaltiges Arsenal an bauaufsichtsbehördlichen Eingriffsbefugnissen bereit.

Möglich sind: Eine laufende Bauüberwachung, sowie die Wiederherstellung baurechtskonformer Zustände, wenn sich Zustände herausgebildet haben, die formell und materiell baurechtswidrig sind.

Formelle Baurechtswidrigkeit bedeutet: Jemand hat ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder geändert oder die Nutzung geändert.

Materielle Baurechtswidrigkeit bedeutet: Das, was das jetzt steht, darf so eigentlich nicht stehenbleiben, weil es der Bauplanung oder Bauordnung widerspricht.

Die Behörde kann eine Einstellungsverfügung erlassen und damit die Baustelle gewissermaßen einfrieren.

Sie kann eine Nutzungsuntersagung aussprechen und beispielsweise anordnen, dass ein Kino, dass es nicht geben dürfte, künftig geschlossen bleibt.

Sie kann auch eine Beseitigungsverfügung erlassen und dafür sorgen, dass etwa ein illegal als Obergeschoss auf einer Garage aufgepflanztes Wohnstudio wieder abgerissen werden muss.

Dabei sind aber der Bestandsschutz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, d.h. auch dann, wenn die Nachbarn sich sehr ärgern, darf die Baubehörde nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.

Außerdem muss die Behörde bei allen diesen Maßnahmen ein Ermessen ausüben, und das bedeutet, dass es auf der Pro- und der Contra-Seite von Maßnahmen immer auf das überlegene juristische Argumentationsgeschick, die fachliche Brillianz und die emotionale Intelligenz der beteiligten Rechtsanwälte und Behördenvertreter, auch im Verhältnis zum zuständigen Verwaltungsgericht, ankommt.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz (sogenannte Selbstbindung der Verwaltung) spielt dabei eine große Rolle, und gerade das ist ein Grund, einem alteingesessenen Fachmann zu vertrauen: Er kennt die Verhältnisse und weiß, welche Vergleichsgebiete und welche Vergleichsobjekte herangezogen werden können, und welche nicht.

Außerdem kann eine behördliche Duldung auch rechtlich beachtlich sein. Wem es gelingt, eine Sache auf die lange Bank zu schieben, der hat damit auf lange Sicht auch oft Erfolg. Umgekehrt verhindert man als Gegner eines Bauvorhabens solche Wirkungen, indem man schnell und entschieden handelt.

Wichtig ist bei allen Maßnahmen auch, dass Verwaltungsakte den richtigen Adressaten haben. Das klingt juristisch überspitzt, erschließt sich aber auch dem Laien sofort, wenn er an Personengesellschaft, Erbengemeinschaft, Grundstückseigentümergemeinschaft und ähnliche Fälle denkt. Bekommen hier nicht alle Betroffenen Verfügungen, oder lässt sich der Zugang nicht sicher nachweisen, so sind erhebliche zeitliche Verzögerungen zu befürchten.

Hält jemand sich nicht an Verfügungen, so greift die Verwaltungsvollstreckung. Möglich sind die Verhängung von Zwangsgeld, die Anordnung von Zwangshaft (aber nur in sehr speziellen Fällen), die Ersatzvornahme durch ein von der Behörde beauftragtes Unternehmen, außerdem der unmittelbare Zwang, z.B. durch Wegtragen von Hausbesetzern.

Eine Beseitigungsanordnung oder Abrissverfügung kann also zuletzt auch dadurch durchgesetzt werden, dass die Behörde selbst die Abrissbirne bestellt.

Wer Betroffener von Verwaltungsvollstreckung ist, muss wissen, dass zunächst eine Androhung jedes Mittels erforderlich ist, dann die Festsetzung und schließlich die Anwendung, und zwar jeweils stufenweise für jedes schärfere Mittel (erst für ein stufenweise erhöhtes Zwangsgeld, dann ggf. für Ersatzvornahme). Man kann hier als Betroffener also pokern, wenngleich dies kostenintensiv sein kann und nicht immer von letztlichem Erfolg gekrönt ist.

Der Nachbarschutz ist das Spiegelbild des Schutzes des Bauherrn: Geht es beim Bauherrn um das Bewirken, so geht es beim Nachbarn um das Verhindern.

Der Nachbar kann sich also wehren und Nachbarschutz geltend machen.

Der Begriff Nachbarschutz ist übrigens doppeldeutig:

Zum einen können öffentlich-rechtliche Ansprüche gegenüber der Baubehörde bestehen, gegen einen bestimmten Zustand einzuschreiten.

Zum anderen können auch privatrechtliche Ansprüche gegenüber dem Nachbarn bestehen, bestimmte bauliche Tätigkeiten zu unterlassen oder einen bestimmten Zustand wieder rückgängig zu machen.

In der Praxis kann zweigleisig gefahren werden, es kann aber auch nur eine Spur benutzt werden, von Fall zu Fall unterschiedlich. Man spricht deshalb auch von einer Zweispurigkeit des Rechtsschutzes im Nachbarrecht.

Voraussetzung vor eine erfolgreiche Gegenwehr gegen ein Bauvorhaben ist immer, dass eine Schutznorm verletzt ist, also eine Vorschrift, von der man sagen kann, dass es sie nicht nur im Interesse der allgemeinen Öffentlichkeit gibt, sondern auch Interesse der konkret betroffenen Nachbarn.

Eine große Bedeutung für die Nachbarn haben beispielsweise Abstandsflächen, weil ihnen nicht Licht & Luft zum Leben genommen werden sollen.

Lässt eine Baumaßnahme erkennbar die erforderliche Rücksichtnahme vermissen, so findet sich in aller Regel auch irgendwo in der Rechtsordnung eine Rechtsvorschrift, die das ausdrücklich verbietet.

Man spricht dann von nachbarschützenden Vorschriften.

Nachbar ist übrigens nicht nur der unmittelbare Grundstücksnachbar. Es kann auch jemand sein, der von Immissionen betroffen ist, aber Eigentümer eines weiter weg legenden Grundstücks, z.B. jemand, der Kirchenglocken oder Betriebslärm noch einige hundert Meter weiter zu gut wahrnehmen kann.

Beispiele für nachbarschützende Vorschriften sind: Baunutzungsvorschriften (also Regeln darüber, was in welchem Baugebiet geht, was nicht), das allgemeine Rücksichtnahmegebot, Vorschriften über Abstandsflächen, Vorschriften über Standsicherheit und Statik, Vorschriften über Baustellensicherheit, gegen Brände, Feuchtigkeit, Korrosion, Schädlinge usw.

Nicht nur der Bauherr, auch der Nachbar hat einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung, d.h. die Behörde muss immer alle maßgeblichen Belange ermitteln und fair und gerecht gegeneinander abwägen.

Ist eine Baumaßnahme nicht hinnehmbar, so kommt es zu einer sogenannten Ermessensreduzierung auf Null: Es besteht dann ein Anspruch auf Einschreiten. Der Nachbar hat auch einen durchsetzbaren Anspruch auf Vollzug. Der kann z.B. dann verletzt sein, wenn eine Baubehörde in einer besonders wohlhabenden Gemeinde wie Kronberg nur Zwangsgelder festsetzt, die gleichsam aus der Portokasse bezahlt werden können und daher völlig wirkungslos bleiben. Hiergegen ist ein gerichtliches Vorgehen angezeigt und auch regelmäßig erfolgreich.

Der vorläufige Rechtsschutz spielt im Nachbarrecht eine überragende Rolle, denn es ist viel leichter, zu verhindern, dass etwas gebaut wird, als zu erreichen, dass etwas abgerissen wird, was schon steht. Der beauftragte Rechtsanwalt muss also schnell und wendig sein.

Die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen des Nachbarn gilt übrigens nicht von Gesetzes wegen, sondern muss vom Gericht in jedem Einzelfall ausdrücklich angeordnet werden, was eine kluge und überzeugende Argumentation erforderlich macht.

Der Nachbar muss auch sehr vorsichtig sein, welche Vereinbarungen er mit einem Bauherrn trifft, oder welche Zugeständnisse er macht, oder wie lange er einem Vorhaben untätig zuschaut, denn Verzicht oder Verwirkung oder Rechtsmissbrauch können seine Nachbarrechte zunichte machen.

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Thomas Röhner

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